geboren am 4. Dezember 1899 in Dresden-Löbtau
1915
Studium an der Kgl. Kunstgewerbeschule Dresden bei Margarete Junge (Fachklasse Mode)
1916/18
Studium bei Oskar Georg Erler (Fachklasse angewandte Graphik)
Auszug aus dem Elternhaus
Lebensunterhalt durch kunstgewerbliche Arbeiten und Lithographien
1919/23
Kurse an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei Otto Gussmann
Freundschaft mit dem Berliner Dadaisten Johannes A. Baader
Kontakte zur Dresdner „Sezession Gruppe 1919“ mit Otto Dix, Conrad Felixmüller, Otto Griebel und Pol Cassel
1921
Heirat mit dem Sänger und Maler Kurt Lohse
1925
Umzug nach Hamburg
1925/31
Mitglied in dem von Ida Dehmel gegründeten „Bund Hamburger Künstlerinnen“, GEDOK
Kontakt zur „Hamburgischen Sezession“
1926
Trennung von Kurt Lohse
1929
Nervenzusammenbruch infolge von materiellen und partnerschaftlichen Schwierigkeiten
Einweisung in die Psychiatrie Hamburg-Friedrichsberg, Entstehen der „Friedrichsberger Köpfe“
1929/31
erfolgreiche Ausstellungsbeteiligungen und Einzelausstellungen in Hamburg (u.a. Kunstsalon Maria Kunde)
1931
Rückkehr ins Elternhaus nach Dresden wegen materieller und psychischer Probleme
1932
Einweisung in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Arnsdorf
1935
Scheidung von Kurt Lohse
Ernennung eines Vormundes und Zwangssterilisation
1940
Deportation in die Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein
getötet am 31. Juli 1940 im Rahmen der nationalsozialistischen Krankenmordaktion „T4“
Schicksal und Werk Elfriede Lohse-Wächtlers erfuhren in den vergangenen drei Jahrzehnten zunehmend Aufmerksamkeit und Anerkennung. Viele Aspekte ihres Lebens und künstlerischen Schaffens liegen aber dennoch weiterhin im Dunkel. So lassen sich auch ihre Dresdner Jahre vom Eintritt in die Kunstgewerbeschule 1915 bis zu ihrem Wegzug nach Hamburg 1925 nur bruchstückhaft rekonstruieren, zumal sich aus dieser Zeit nur sehr wenige Werke erhalten haben.
„Die Akademie ist meine Hoffnung (…) um mich im Zeichnen, Dekorieren und Entwerfen sowie im Studieren von Trachten auszubilden“ schrieb die erst 14-jährige Anna Frieda (Elfriede) Wächtler 1913 in einem Schulaufsatz. (Boris Böhm) Bereits zwei Jahre später, mitten im Krieg, ist sie an der Kunstgewerbeschule in Dresden in der Fachklasse für Mode und Weibliche Handarbeiten eingeschrieben. In ihrer Fachklassenleiterin Margarethe Junge (1874-1966) traf sie auf eine umtriebige und durchsetzungsstarke Frau, die als erfolgreiche und vielseitig begabte Entwerferin für die Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst als erste weibliche Lehrkraft 1907 an die KGS berufen worden war. Junge war eine Ausbilderin mit hohem Anspruch, die ihre Studentinnen ebenso forderte wie freundschaftlich förderte, sich für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern einsetzte und nicht zuletzt die gesamte Bandbreite des Designs praxisnah vermitteln konnte.
Malerisch erschloss Elfriede Lohse-Wächtler sich die neue Umgebung vor allem in Aquarell und Pastell. Im März 1927 gelang ihr der erste Verkauf eines Werkes an eine öffentliche Sammlung, was sie auf weitere Absatzmöglichkeiten hoffen ließ. Daher blieb sie in Hamburg, obwohl sie sich zu jener Zeit endgültig von Kurt Lohse trennte. Neben einzelnen Bildverkäufen versuchte sie vor allem mit Illustrationen und kunstgewerblichen Arbeiten ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Doch ihr fehlte das Netzwerk und die Anerkennung, die sie sich in Dresden erarbeitet hatte. Über den Bund Hamburgischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen – der späteren GEDOK – und über die Hamburgische Sezession bemühte sich die Künstlerin um Kontakte und Ausstellungsmöglichkeiten. Einen Freundes- und Kollegenkreis wie zuvor in Dresden fand sie in Hamburg jedoch nicht.
Aus der Zeit von 1925 bis 1928 sind bisher nur wenige Arbeiten bekannt. Unter mehreren eher schlichten Aquarellen mit Hamburger Motiven sind zwei in naiv-neusachlicher Malweise erhalten – ein Stil, den Elfriede Lohse-Wächtler nicht weiterverfolgte. In dem Porträt von
Fräulein H.A.
(1928/29)
zeigt sich ihre zeichnerische Genauigkeit und Könnerschaft, die auch ihr Spätwerk auszeichnet.
Mental und physisch ausgebrannt, völlig perspektivlos kehrte die Künstlerin 1931 zu den Eltern nach Dresden zurück. In Hamburg hatte sie von 1925 bis 1931 ihre bedeutendste Schaffensphase, ja erste Ausstellungserfolge erlebt. Im Elternhaus flammten die früheren Streitigkeiten mit dem Vater rasch wieder auf. Er war es auch, der 1932 ihre Einweisung in die Landesheil- und Pflegeanstalt Arnsdorf bei Dresden einleitete, wo sie bis kurz vor ihrem gewaltsamen Ende aufgrund der T4-Eutahanasie-Tötungsaktion 1940 verblieb.
Den Lebensnerv der Künstlerin traf das 1934 von den Nationalsozialisten verabschiedete Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses: Ihr Schicksalsjahr 1935 brachte Entmündigung, Unterstellung unter einen Vormund und die von Lohse betriebene Scheidung wegen "unheilbarer Geisteskrankheit". (Kurt Lohse) Der erbitterte Widerstand der Sechsunddreißigjährigen gegen die Zwangssterilisation hatte systematische Unterversorgung und Unterernährung zur Folge.